Über das Leben nach dem Tierversuch – Ein Erfahrungsbericht Tabuthemen und Tierschutz
„Welchen Hund man bekommt, entscheidet sich am Tag des Einzugs.“
Einen Laborbeagle zu adoptieren ist ungefähr so, wie wenn man ein Überraschungs-Ei bekommt. Man weiß weder, was sich hinter seinem Äußeren verbirgt, noch welche Charaktereigenschaften die Hunde mitbringen. Denn bis man sein neues Familienmitglied das erste Mal sieht, kennt man in der Regel nur eine einzige, unscharfe und oftmals nicht gerade glücklich getroffene Momentaufnahme sowie eine kurze Beschreibung.
In unserem ersten Artikel “Für Tierversuche gezüchtet: der Laborbeagle” konntet ihr euch bereits im Allgemeinen über den Laborbeagle informieren. In dieser Fortsetzung berichtet Gastautorin Aylin Kreis nun von ihren persönlichen Erfahrungen mit ihren beiden Laborbeagle Weezy und Fabi.
Wie ich auf den Beagle kam?
Im Jahr 2015 erfüllte sich nach 24 Jahren endlich mein großer Traum vom ersten eigenen Hund. Bones, ein elfjähriger Beagle aus dem Tierschutz, zog bei mir und meiner Familie ein. Bones war leider sehr schwer an Krebs erkrankt und uns blieb nur ein gemeinsames Jahr. Nach seinem Tod fehlte er mir jeden Tag und mir wurde bewusst, dass ein Leben ohne Hund für mich einfach unvorstellbar geworden war. Ich entschied, dass sein Körbchen nicht lange leer bleiben sollte, da es so viele Hunde gibt, die auf ein Zuhause warten.
Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit im Tierheim wurde ich eines Tages das erste Mal mit jungen Beagle aus dem Labor konfrontiert und war sofort fasziniert von diesen Hunden. So fing ich an, mich im Internet über die Laborbeagle zu informieren und landete letztlich auf der Webseite der Laborbeaglehilfe. Natürlich wurde auch die Facebookseite des Vereins direkt geliked und alle Bilder der Hunde durchforstet.
Und dann sah ich ihn: Casimir, 9 Jahre, mit ganz vielen kleinen Pünktchen auf den Beinen lag er im Schnee und schaute direkt in die Kamera. Geboren am 08.02.2007, genau wie mein Bones, nur zwei Jahre später. Ich habe dieses Bild nicht mehr aus meinem Kopf bekommen. Für meine Eltern stand jedoch fest, dass es erstmal keinen Hund geben wird und erst recht keinen neun jährigen Beagle aus einem Labor, den man nicht einmal kennenlernen konnte. Ich konnte ihre Ängste natürlich verstehen, dennoch kam für mich einfach kein jüngerer Hund in Frage.
Ich rief letztendlich bei seiner Vermittlerin an, um mich zu erkundigen, ob er denn vielleicht schon Interessenten hatte. Natürlich hatte er keine und somit wurde der Familienrat noch einmal einberufen bis wir alle, wenn auch zögerlich, für Casimir stimmten. Ab diesem Tag begannen die schlaflosen Nächte und die Aufregung und Sorgen stiegen von Tag zu Tag.
Der Einzug von Weezy
Drei Wochen nach unserer Entscheidung war es dann endlich soweit. Am 08.04.2016 zog also mein erster Laborbeagle bei mir ein. Ein Teammitglied der Laborbeaglehilfe brachte ihn in einer Transportbox in unser Wohnzimmer. Da saß er nun in seiner Box und machte erstmal keinerlei Anstalten, diese zu verlassen. So kümmerten wir uns also um alle Formalitäten, wie beispielsweise den Vermittlungsvertrag und die Schutzgebühr. Danach holten wir Weezy vorsichtig aus der Box und ließen ihn sein Zuhause erkunden. Es dauerte keine Stunde, bis er all unsere Herzen erobert hatte. Ich habe damals wirklich mit allem gerechnet und mich auf alle Eventualitäten eingestellt. Doch Weezy, ehemals Casimir, war lediglich am ersten Tag etwas zurückhaltend, wollte dann aber sichtlich keine Sekunde seines Lebens mehr verschwenden. Er begegnete sowohl Tieren, als auch Menschen absolut freundlich, war unglaublich lernwillig und schon nach drei Tagen stubenrein.
Unkomplizierter ging es nicht…
Er genoss sein neues Leben einfach in vollen Zügen und war dankbar über jegliche Art von Zuneigung. Der Alltag mit ihm war absolut unkompliziert, sodass er fast immer an meiner Seite war. Er begleitete mich täglich zur Arbeit, in den Stall und einige Male sogar auf Ausritte. Wir besuchten sogar gemeinsam eine Grundschulklasse, um dort über Laborbeagle aufzuklären. Pferde, Kinder, Katzen und alles andere hatte er vorher noch nie gesehen, aber er begegnete einfach allen freundlich und aufgeschlossen. Ein Highlight war definitiv unsere Reise nach Holland, welche wir bereits 4 Monate nach seinem Einzug machen konnten. Weezy war einfach ein Traumhund und legte eine so unglaubliche Lebensfreude an den Tag, dass ihn jeder direkt in sein Herz schloss. Leider war unsere gemeinsame Zeit nach dem Labor begrenzt, denn nach nur einem Jahr mussten wir feststellen, dass Weezy unheilbar an Prostatakrebs erkrankt war.
Wir wussten nicht, wie viel Zeit uns noch blieb und auch wenn die Angst und Trauer vor dem Abschied unglaublich groß war, genossen wir doch jeden Tag, der uns gemeinsam blieb. Am 11. August 2017 war dann der Tag des Abschiedes gekommen und ich musste nun schon zum zweiten Mal innerhalb sehr kurzer Zeit diese schwere Entscheidung treffen. Aber so tief der Schmerz über den Verlust von Weezy auch war, haben mir diese unvergesslichen eineinhalb Jahre mit ihm auch gezeigt: einem Laborbeagle ein Zuhause zu geben, mag zwar erst einmal mit vielen Ungewissheiten verbunden sein, doch sind die anfänglichen Startschwierigkeiten bereits nach kürzester Zeit vergessen, sobald man merkt, mit welch großer Dankbarkeit einem sein Hund begegnet.
Und dann kam Fabi…
Ein paar Wochen, nachdem uns Weezy verlassen musste, bekam ich einen Anruf von der Laborbeaglehilfe, ob ich mir vorstellen könnte, Beagle “Fabius” in Pflege zu nehmen. Er wartete schon seit mehreren Monaten auf eine passende Familie, um endlich das Labor verlassen zu können. Leider haben es gerade ältere Hunde schwer, einen guten Platz zu finden und somit war für mich schnell klar: Fabi zieht erstmal bei uns ein. Und so übernahm ich also mein zweites Überraschungs-Ei im September 2017, jedoch vorerst nur auf Pflege.
Doch im Gegensatz zu Weezy war Fabi ein Musterbeispiel für einen ängstlichen, frisch entlassenen Laborbeagle. Eben genau das, worauf man sich einstellen sollte, wenn man einen Hund aus dem Labor adoptieren möchte.
Der Tag der Abholung…
Die Autofahrt am Tag der Abholung verlief erst mal völlig problemlos, weshalb ich mich bereits in Sicherheit wog und annahm, dass das Leben mit Fabi bestimmt genauso einfach werden würde wie mit Weezy. Doch dass das ein großer Irrtum war und noch ein langer Weg vor uns lag, sollte ich direkt nach unserer Ankunft zu Hause bemerken. Denn zu Hause angekommen flüchtete Fabi ohne Umwege aufs Sofa in die allerletzte Ecke und rührte sich nicht mehr weg vom Fleck. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnten: Genau an diesem Platz verharrte Fabi die nächsten drei Monate.
Spaziergänge waren die reinste Katastrophe.
Was das bedeutete? Hob man ihn erst einmal zum Gassigehen von der Couch, lief er zwar nach mehreren Wochen relativ sicher mit einem mit und freute sich schließlich auch, sobald er am Feld oder Wald war. Doch der alltägliche Straßenlärm dorthin machte ihm ordentlich zu schaffen. Nicht zuletzt war es quasi unmöglich, irgendwann wieder zurücklaufen. Sobald ich nur in die Richtung nach Hause laufen wollte, setzte sich Fabi hin und blieb eisern sitzen. Es war nichts zu machen. Oftmals half mir nur noch ein Anruf bei meiner Familie, damit uns irgendjemand vom Feld abholen kam und wieder nach Hause brachte. Ich war viele Tage so verzweifelt und wusste einfach nicht mehr, was ich machen sollte, denn auch innerhalb unserer eigenen vier Wände gab es erst mal keine Fortschritte zu verbuchen. Er wollte einfach nicht weg vom Sofa und bewegte sich, wenn überhaupt, lediglich bis zu seinem Napf, welcher sogar bereits am Teppich vor dem Sofa stand.
“Ich war viele Tage so verzweifelt und wusste einfach nicht mehr, was ich machen sollte.”
Irgendwann entschied ich, ihn mit ins Bett zu nehmen, da er den Körperkontakt zu mir sehr genoss und unheimlich gerne gestreichelt wurde. Zusätzlich ließen wir eine Hundetrainerin zu uns kommen, die uns einige einfache Übungen zeigte, mit denen wir Fabi ermuntern konnten, vom Sofa zu kommen. Wir fingen noch mal bei Null an. Den Stress aus den Spaziergängen unterband ich, indem wir uns eine Zeit lang am Ende eines Weges abholen ließen. Wir fingen außerdem an, mit ihm zu “Klickern”, wie es uns die Trainerin gezeigt hatte, und trainierten jeden Tag. Hier kam es endlich zu ersten sicht,- und spürbaren Erfolgen, denn immerhin kam er so abends von seinem Sofa runter, um bei uns im Bett zu schlafen.
4 Monate später: die ersten Fortschritte!
Es vergingen einige Wochen, in denen sich Fabis Zustand zwar langsam verbesserte, aber nicht so, dass ich ihm einen erneuten Umzug hätte zumuten wollen. So entschied ich kurz vor Weihnachten, Fabi bei uns sein endgültiges Zuhause zu geben. Ich verliebte mich natürlich auch immer mehr in ihn und freute mich über jeden noch so kleinen Fortschritt. Ich war mir sicher, irgendwann würde der Knoten bei Fabi platzen. Wir mussten nur genug üben und einfach unseren Weg finden. Im Januar war es dann endlich so weit. Wir gingen wie immer Gassi, doch auf einmal folgte er mir, ganz gleich, in welche Richtung ich lief. Von diesem Tag an waren wir auch nicht mehr darauf angewiesen, dass uns jemand abholen musste. Im Gegenteil: Wir konnten unsere Spaziergänge endlich ohne Stress und Ängste genießen. Auch zu Hause wurde es immer besser und er fing an, sich etwas mehr in der Wohnung zu bewegen.
Heute, nach genau elf Monaten, ist Fabi ein toller Hund, der jedoch noch immer sehr viel Einfühlungsvermögen und Verständnis von uns Menschen benötigt. Er läuft ohne Leine, er liebt es Tricks zu lernen und macht für Leckerlis so gut wie alles. Er ist der Streber in der Hundeschule, mit fast jedem Hund verträglich und begleitet mich mittlerweile sogar in Restaurants. Auch ein Urlaub ans Meer in Holland war für Fabi absolut kein Problem.
Doch manche Ängste trägt ein Beagle aus dem Labor auch noch lange Zeit nach seiner Entlassung mit sich…
Seine Skepsis gegenüber fremden Menschen ist immer noch vorhanden und auch seine Panik vor Türen, welche sich bewegen, oder generell vor Gegenständen, welche in der Wohnung stehen und vorher nicht da waren, ist etwas, wo Fabi vermutlich noch einige Zeit brauchen wird, um auch hier seine Angst zu verlieren. Auch läuft er noch nicht völlig hemmungslos durch die Wohnung, doch kommt er nun meistens freiwillig vom Sofa zum Gassigehen und hat auch keine Angst mehr vor unserem Garten. An der Straße hat er mittlerweile ganz gut gelernt, mit all den Reizen umzugehen. Dennoch kann es immer mal wieder zu Situationen kommen, in denen er schnell in Panik gerät und aus dieser Situation flüchten möchte. Dies kommt jedoch zum Glück immer seltener vor und mit der Zeit lernt man seinen Hund eben auch immer besser kennen und kann so auch vermeintlich „brenzlige“ Situationen umgehen.
„Mit das Schönste in den letzten Monaten war der Tag, an dem er anfing uns fiepend und schwanzwedelnd voller Freude zu begrüßen.“
Fabi ist ein unglaublich toller Hund geworden und aus unserer Familie nicht mehr wegzudenken. Ich bereue die Entscheidung, ihn aufgenommen zu haben, keineswegs und würde es immer wieder so machen. All die Mühen, Tränen und an manchen Tagen auch meine pure Verzweiflung haben sich mehr als gelohnt, da es nun wieder einen Hund mehr auf der Welt gibt, der eine zweite Chance bekommen hat und sein Leben endlich genießen kann.
Durch die Hilfe aller Pflegestellen und Hundehalter konnten bis heute bereits über 1.800 Beagle durch die Laborbeaglehilfe vermittelt werden und bekamen so die Chance auf ein neues Leben.
Auch du kannst einen Teil dazu beitragen, sei es durch eine Spende, eine Patenschaft, einen Pflegestellenplatz oder einen Platz für einen Laborbeagle auf Lebenszeit. Es gibt viele Wege, um zu helfen, wodurch diesen Hunden überhaupt erst ein Leben nach dem Labor ermöglicht werden kann.
Weitere Infos findet ihr dazu auf der Webseite der Laborbeaglehilfe. Ebenfalls empfehlenswert ist das Laborbeaglehilfe-Buch von Marion Weigel.