Die Frage „Soll ich meinen Hund kastrieren lassen?“ kann unter Hundebesitzern schnell mal zu einer etwas heikleren Angelegenheit werden, denn es gibt einfach nicht die EINE richtige Antwort. Dafür gibt es hier die wichtigsten Informationen rund um die Kastrationsfrage, die hoffentlich etwas Struktur in die ewige Diskussion bringen.
Kastration = Sterilisation?
Bevor das Thema Kastration überhaupt diskutiert werden kann, sollte man sich über die verschiedenen medizinischen Begriffe im Klaren sein. Häufig wird nämlich angenommen, dass die Sterilisation die Kastration einer Hündin bedeutet – das stimmt jedoch nicht, es handelt sich sogar um verschiedene operative Eingriffe. Bei einer Kastration werden der Hündin die Eierstöcke und dem Rüden die Hoden entnommen. Dadurch können sich beide nicht mehr fortpflanzen und der Sexualtrieb wird eingeschränkt. Bei einer Sterilisation werden Hündin und Rüde mit der Durchtrennung der Ei- beziehungsweise Samenleiter „nur“ unfruchtbar gemacht, ihr Sexualtrieb bleibt ganz normal erhalten. Medizinisch erstmal alles klar? Weiter geht’s mit einem nicht ganz so präsenten Thema:
Tierschutz
Jeder weiß, dass man seinem Hund nicht einfach so ein Bein amputieren darf. Nicht so viele wissen, dass das durch § 6 im Tierschutzgesetz, das Amputationsverbot, geregelt wird. Dieses verbietet, einem Wirbeltier ohne medizinischen Grund ein Körperteil zu amputieren oder ein Organ zu entnehmen. Auch die Kastration des Hundes fällt aufgrund der Entnahme der Eierstöcke bzw. der Hoden unter dieses Gesetz und darf nur ausgeführt werden, wenn sie die Lebensqualität des Hundes verbessert. Daher muss eine Kastration im Voraus sorgfältig mit dem behandelnden Tierarzt besprochen werden.
Gründe für die Kastration
Eine Kastration darf und sollte also nicht „einfach so“ durchgeführt werden. Doch was sind eigentlich die häufigsten Gründe für eine Kastration?
Fortpflanzung & Sexualtrieb
Der wohl häufigste Grund einer Kastration ist das Verhindern einer ungewollten Fortpflanzung und der Einschränkung des Sexualtriebes.
Nach einer Kastration kann eine Hündin nicht mehr läufig werden, daher verschwinden auch Läufigkeitsnebenerscheinungen wie Blutungen und die Scheinträchtigkeit. Sollte die Hündin außerdem während der Läufigkeit Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression oder Zickigkeit zeigen, so werden auch diese durch eine Kastration gemindert. Dies bezieht sich jedoch wirklich NUR auf hormonell bedingtes Verhalten, eine allgemeine Aggressivität des Hundes wird durch eine Kastration nicht verringert (dazu gleich mehr).
Bei einem Rüden wird durch die Kastration der Testosteronspiegel gesenkt und damit sein Sexualtrieb kontrolliert. Läufige Hündinnen sind für den Rüden dadurch viel weniger attraktiv und die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund wegen der nächsten läufigen Hündin durchbrennt, sinkt. Auch frustriertem Sexualverhalten, wie dem Verweigern von Fressen und ständigem Jaulen während der Läufigkeitssaison, kann mit einer Kastration Einhalt geboten werden.
Dennoch ist es möglich, dass sowohl Hündin als auch Rüde nach der Kastration noch ein sexuell motiviertes Paarungsverhalten aufzeigen – nur Nachwuchs wird es keinen mehr geben 🙂
Aggression
Es ist ein weitverbreiteter Mythos, dass ein Hund durch eine Kastration weniger aggressiv und damit ruhiger wird. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn die auftretenden Verhaltensauffälligkeiten tatsächlich hormonell bedingt sind. Bei Hündinnen kann dies während der Läufigkeit der Fall sein; bei Rüden kann Aggressivität zum Beispiel bei einer Hypersexualität durch das Sexualhormon Testosteron ausgelöst werden. Dies kommt jedoch recht selten vor und der Grund für das Fehlverhalten und die Aggressivität des Hundes ist daher meist ein anderer.
Dementsprechend ist eine Kastration nicht die Lösung für Ungehorsam, Dominanzverhalten, fehlende Leinenführigkeit, Angstaggression, Futteraggression, Territorial- und Schutzverhalten… Ganz im Gegenteil: Verhaltensauffälligkeiten wie Angstaggression oder Dominanz können sich durch eine Kastration sogar verschlimmern.
Grundsätzlich gilt also: wer seinen Hund vor der Kastration nicht unter Kontrolle hat, wird seinen Hund auch nach der Kastration nicht unter Kontrolle haben.
Prophylaxe
Die Vorbeugung von Krankheiten, vor allem die Krebsprophylaxe, ist häufig Grund für die Kastration des Hundes.
Bei Hündinnen kann durch eine Kastration eine Vereiterung der Gebärmutter (Pyometra) vorgebeugt sowie das Risiko für die Bildung von Tumoren in der Milchleiste reduziert werden. Zudem heißt es, dass eine recht frühe Kastration (noch vor der zweiten Läufigkeit) das Brustkrebsrisiko senken kann.
Auch bei Rüden kann mittels einer Kastration das Hodenkrebsrisiko eingeschränkt und einer Prostataerkrankung vorgebeugt werden. Sollte der Rüde schon einen Hodentumor haben, so ist eine Kastration unabdingbar.
Die medizinischen Beweggründe für eine Kastration sollten jedoch in jedem Fall gründlich mit dem Tierarzt deines Vertrauens besprochen werden.
Risiken und Nebenwirkungen
Alles in allem sollte man im Hinterkopf behalten, dass eine Kastration ein operativer Eingriff unter Vollnarkose ist und damit auch Risiken birgt. Wichtig ist auch, dass man seinen Hund auf keinen Fall zu früh kastrieren lässt, da man mit einer Kastration in die Entwicklung des Hundes eingreift. Wird der Hund also zu früh kastriert, kann es passieren, dass sich der Hund sowohl physisch als auch psychisch nicht vollständig entwickelt und ein infantiles Verhalten bestehen bleibt. Daher wird meist zu einer Kastration nach der Pubertät bzw. frühestens nach der ersten Läufigkeit geraten.
Darüber hinaus kann eine Kastration Nebenwirkungen, wie zum einen die Möglichkeit der Inkontinenz (vor allem bei Hündinnen) mit sich bringen. Zum anderen haben kastrierte Hunde häufig mit einer Gewichtszunahme zu kämpfen, da der Hund aufgrund der fehlenden Hormone zwar mehr Appetit, aber auch einen geringeren Energieverbauch hat. Dem Risiko der Gewichtszunahme kann allerdings mit dem richtigen Futter und der richtigen Futtermenge entgegengewirkt werden.
Die fehlenden Hormone können außerdem zu einer Wesensveränderung des Hundes führen: der Hund wirkt dann lethargisch, desinteressiert und faul. Eine weitere, wenn auch nur optische Nebenwirkung ist die Veränderung des Fells. Besonders bei Langhaarrassen kann es nach der Kastration zu einer erneuten Entwicklung des Welpenfells kommen, wobei die fusselige Unterwolle durch das glänzende Deckhaar wächst.
Kosten
Die Kosten einer Kastration liegen, je nach Tierarzt, zwischen 100 € und 400 €. Da die Operation bei Hündinnen aufwändiger ist und etwas länger dauert, kostet sie meist auch mehr als die Kastration eines Rüden. Am besten einfach mal den Tierarzt fragen!
Pro
- Keine Fortpflanzung möglich
- Sexualtrieb wird eingestellt
- Kein hormonbedingter Stress wie z.B. die Scheinträchtigkeit, Verweigerung des Futters
- Reduziertes Risiko bei einigen Hundekrankheiten
- Hormonell bedingtes Fehlverhalten kann gemindert werden
Contra
- Operationsrisiko durch Vollnarkose sowie Infektionsrisiko der Wunde
- Gesteigertes Risiko für Harninkontinenz und Harnleitertumore
- Mögliche Wesensveränderungen durch fehlende Hormone
- Risiko der Fettleibigkeit durch gesteigerten Appetit
- Fellveränderungen („Welpenfell“)
- Infantiles Verhalten bei zu früher Kastration
Die Alternative zur Kastration: der Hormonchip
Gleich zu Beginn sei gesagt: der Hormonchip ist bislang nur für Rüden zugelassen.
Der Hormonchip wird, ähnlich wie der Chip zur Identifikation, mit einer Spritze unter die Haut im Nacken eingesetzt. Hierfür wird keine Narkose benötigt.
Ist der Chip unter der Haut, gibt er den Wirkstoff Deslorelin ab. Dieser macht den Hund unfruchtbar und wirkt sich auf seinen Sexualtrieb aus. Daher spricht man beim Hormonchip auch von einer chemischen Kastration. Die Nebenwirkungen des Hormonchips sind dabei die gleichen wie bei einer operativen Kastration.
Den Chip gibt es für sechs (4,7 mg-Chip) oder für zwölf Monate (9,4 mg-Chip), es handelt sich also um eine Kastration auf Zeit. Mit dem Chip kann daher getestet werden, ob und vor allem wie sich eine mögliche operative Kastration auf das Verhalten deines Hundes auswirkt. Besonders bei verhaltensauffälligen Hunden wird daher zuerst zu einem Hormonchip geraten.